Neue Philharmonie München März 2017
14.03.2017
20:00 Uhr
Loisachhalle, Wolfratshausen
14.03.2017
20:00 Uhr
Loisachhalle, Wolfratshausen

Programm

Huzulisches Triptychon
Myroslaw Mychajlowytsch Skoryk
Huzulisches Triptychon
Myroslaw Mychajlowytsch Skoryk

Zweifellos ist Myroslaw Skoryk heute der bekannteste und angesehenste ukrainische Komponist. Dabei ist er streng genommen kein gebürtiger Ukrainer. Als er 1938 geboren wurde, gehörte seine Heimatstadt Lwów, die auch unter dem deutschen Namen Lemberg bekannt ist, zu Polen. Im Folgejahr fiel die Stadt durch den Hitler-Stalin-Pakt an die ukrainische Sowjetrepublik, bevor sie 1941 von deutschen Truppen besetzt wurde. Ab 1944 war Lwów dann wieder sowjetisch; seit dem Zerfall der Sowjetunion gehört die Stadt zur Ukraine und trägt den Namen Lwiw.

Skoryk hat all diese Wirren unmittelbar miterlebt. Er wuchs in einer musikbegeisterten Familie auf: beide Eltern waren Hobby-Musiker, und eine Großtante war Opernsängerin. Die musikalische Laufbahn des jungen Myroslaw schien vorgezeichnet, als er 1945 in die Musikschule seiner Heimatstadt aufgenommen wurde. Doch seine Eltern standen dem Sowjetsystem kritisch gegenüber, und so kam es, dass die gesamte Familie 1947 nach Sibirien deportiert wurde und erst 1955, also zwei Jahre nach Stalins Tod, heimkehren durfte. Die sibirischen Jahre haben den Komponisten geprägt. Nach der Rückkehr nahm er ein Musikstudium auf, zunächst am Konservatorium von Lwiw, später auch in Moskau, wo unter anderen Dmitri Kabalewski sein Lehrer war. Nach Studienabschluss kehrte Skoryk 1964 in die Ukraine zurück, wo er - abgesehen von einem Zwischenspiel in Australien - seither lebt und als Komponist, Kompositionslehrer, Dirigent und Pianist wirkt.

In über einem halben Jahrhundert hat Skoryk eine Vielzahl von Werken vorgelegt. Klavier- und Kammermusik ist da ebenso reichlich vertreten wie Kompositionen für Orchester, Solokonzerte, Kantaten, eine Oper, Lieder und Chorwerke a cappella. Die Stilmittel von Skoryk sind unzweifelhaft modern; dennoch macht er immer wieder Anleihen bei der Volksmusik der Ukraine. Auch dem Jazz fühlt er sich verbunden; so hat Jazz-Versionen von Klavierwerken von Beethoven und Chopin angefertigt. Und schließlich war sich Skoryk - ähnlich wie sein russischer Kollege Dmitri Schostakowitsch - nie zu schade, sein Können und seine musikalische Erfindungskraft dem Filmschaffen zur Verfügung zu stellen und den Soundtrack für Filme zu komponieren.

Auch das Huzulische Triptychon verdankt seine Entstehung einem Film. Im Jahre 1964 drehte der als „Kinorebell” bekannte armenische Regisseur Sergei Paradschanow (1924-1990) seinen Film Tini zabutykh predkiv und bat Skoryk dafür um die Musik; es war dies die erste Filmmusik des Komponisten. Im Folgejahr stellte Skoryk drei Sätze daraus zu einem Orchesterwerk zusammen. Die Satzüberschriften verzichten auf die üblichen Tempoangaben und nehmen direkt auf die Filmhandlung Bezug.

Der Titel des Films bedeutet wörtlich Schatten der vergessenen Ahnen, und so ist er im englischen Sprachraum als Shadows of Forgotten Ancestors bekannt geworden. In Deutschland hingegen kam er unter dem Titel Feuerpferde in die Kinos. Die Handlung überträgt das uralte Romeo und Julia Motiv in ein Dorf der Huzulen, eines russischen Bergvolks in den Karpaten. Iwan und Maritschka entstammen zwei verfeindeten Familien; so hat Maritschkas Vater einst den Vater von Iwan getötet. Dennoch verlieben sich die beiden und sind entschlossen, zu heiraten. Aber während Iwans Abwesenheit ertrinkt Maritschka in einem Fluss. Iwan heiratet später eine andere Frau, doch verfällt er zunehmend in Halluzinationen, in denen ihm Maritschkas Geist erscheint. Zuletzt treiben ihn die Visionen von Maritschkas Geist in den Tod. Der Film endet mit der traditionellen huzulischen Bestattung Iwans.

Der Soundtrack von Skoryk basiert auf der sehr reichhaltigen Volksmusik der Huzulen. Ein typisches huzulisches Instrument ist die Trembita, eine fast drei Meter lange hölzerne Naturtrompete mit metallenem Mundstück, die ohne Fingerlöcher gespielt wird und daher nur die Obertonreihe des Grundtons erzeugen kann. Trembitas spielen in der Begräbnisszene des Films eine wichtige Rolle. Außerdem gibt es verschiedene Flöten, genannt Sopilka, ferner Dudelsäcke, Maultrommeln und Zimbeln. Mit diesen Instrumenten erzeugen die Huzulen eine Vielzahl komplizierter Rhythmen, die Skoryk für seine Filmmusik verwendet hat.

Der Film war im Westen ein großer Erfolg und brachte dem Regisseur Paradschanow internationale Anerkennung. 1965 wurde er mit dem Großen Preis des Festival Internacional de Cine de Mar del Plata, dem Großen Preis des Filmfestivals in Rom und dem Preis der 8ritish Academy of Film and Television Arts ausgezeichnet. Viele Kinogänger wurden durch den Film erstmalig auf die Volksgruppe der Huzulen aufmerksam. In der Sowjetunion hingegen stieß der Film auf Ablehnung bei den Autoritäten, weil er mit seiner religiösen Komponente und mit seinen vielen Geistererscheinungen gegen die Vorschriften des sozialistischen Realismus verstieß. Paradschanow wurde zwar offiziell belobigt, wanderte aber dennoch für mehrere Jahre hinter Gitter, und der Film blieb bis zum Zusammenbruch des Sowjetsystems aus den Kinos verbannt.

Mit dem Film war auch die Filmmusik aus der Öffentlichkeit verschwunden. Skoryk arrangierte daher drei Sätze daraus für „normales” Sinfonieorchester - also ohne spezielle huzulische Instrumente - und veröffentlichte sie 1965 unter dem Titel Huzulisches Triptychon. Der erste Satz schildert die gemeinsame Kindheit der beiden Protagonisten; hier verwendet der Komponist lebhafte Tänze mit komplexen Rhythmen. Der zweite Satz beschreibt träumerisch die Liebe von Iwan und Maritschka. Das Finale über Iwans Tod ist der musikalisch unkonventionellste der drei Sätze mit rauen, dunklen Klängen und ungewöhnlichen Instrumentaleffekten. Trotz des offensichtlichen Zusammenhangs mit dem verbotenen Film, wie er sich in den Satzübeschriften niederschlägt, galt das Huzulische Triptychon als harmlose, folkloristisch inspirierte Musik, tonal und eingängig, und war nicht vom Verbot betroffen.

Abschließend sei vermerkt, dass die Musik der Huzulen vor einigen Jahren auch in die Popmusik vorgedrungen ist. Die ukrainische Sängerin Ruslana gewann 2004 den Eurovision Song Contest mit dem Lied Wild Dances. Im Zuge der Vorbereitung hatte Ruslana mehrere Expeditionen durch die Karpaten unternommen und dabei Rhythmen, Tänze und Kostüme gesammelt, die sie in ihre Show integrierte. Die Trembitas spielen wegen ihrer auffälligen Form eine wichtige Rolle; außerdem treten die Tänzer in huzulischer Tracht auf, und dem Lied sind huzulische Rhythmen unterlegt. Auf diese Weise erlangte die Kultur der Huzulen eine viel weitere Verbreitung, als es mit einem ambitionierten Film oder mit einem Werk der ernsten Musik je möglich gewesen wäre.

Schlagzeugkonzert "The Tears of Nature"
Tan Dun
Schlagzeugkonzert "The Tears of Nature"
Tan Dun

Tan Dun ist einer der erfolgreichsten Komponisten Chinas. Der 1957 geborene Künstler ist in einem Dorf der Provinz Hunan aufgewachsen, wo es „keinen Unterschied zwischen Leben und Musik gab”, wie er in einem Interview erklärt hat. Später besuchte er die High School, und während der Kulturrevolution musste er, wie alle seiner Mitschüler, zur „Umerziehung” auf dem Land arbeiten. Dort studierte und sammelte er die Musik der einheimischen Bevölkerung. Später gelang es Tan Dun, sich einer Peking-Oper-Gruppe anzuschließen, und von 1978 bis 1983 studierte er Komposition am Zentralen Konservatorium in Peking. 1986 ging er als Doktorand nach New York, wo er seither lebt.

 

Heute ist Tan Dun einer der wenigen chinesischen Komponisten, die auch außerhalb ihrer Heimat großen Erfolg haben und hohes Ansehen genießen. 1994 wurde er von der Zeitschrift Oper zum Komponisten des Jahres gewählt. 2000, zum 250. Todestag von Johann Sebastian Bach, vergab die Internationale Bachakademie Stuttgart an vier renommierte Komponisten Aufträge, Passionsmusiken nach je einen Evangelisten zu schreiben; an Tan Dun fiel dabei die Aufgabe, eine Matthäuspassion zu komponieren. Die Stuttgarter Uraufführung der Water Passion After St. Matthew war ein großer Erfolg. Im gleichen Jahr gewann Tan Dun einen Oscar für seine Filmmusik zu Tiger and Dragon. 2006 wurde Tan Duns Oper The First Emperor an der Metropolitan Opera in New York uraufgeführt; James Levine dirigierte, und Placido Domingo sang die Titelpartie. Und 2008 spielte Lang Lang die Premiere von Tan Duns Klavierkonzert HEAR & NOW, das die New Yorker Philharmoniker beauftragt hatten.

 

Auch das 2012 entstandene Schlagzeugkonzert The Tears of Nature ist ein Auftragswerk. Der Norddeutsche Rundfunk, das Los Angeles Philharmonic, das Bergen Filharmoniske Orkester und die Tonhalle-Gesellschaft Zürich haben es gemeinsam bei Tan Dun bestellt. Gewidmet ist es jedoch dem österreichischen Perkussionisten Martin Grubinger, der auch die Uraufführung und viele Erstaufführungen bestritten hat. „Ich habe dieses Stück für meinen lieben Freund Martin Grubinger geschrieben, einen wahren Künstler am Schlagzeug”, erläutert der Komponist.

Beim Komponieren dachte ich an die Natur und konzentrierte mich auf die Leidenschaft von Martin Grubinger. Natur ist der einzige geeignete Illustrator für den Reichtum der Schlagzeugklänge und -instrumente. Natur bedeutet nicht nur vier Jahreszeiten in einem Jahr, sie kann auch die vielen Tiere wie Löwen und Tiger darstellen, die sie beinhaltet, Tiere, die vielerlei Gestalt annehmen und schön, bedrohlich, freundlich oder liebevoll sein können.

 

Das Werk besteht aus drei Sätzen, die alle die Bezeichnung Konzert tragen und nach Aussage des Komponisten auch separat gespielt werden können. Das Orchester umfasst neben umfangreichem Streicher-, Holzbläser- und Blechbläserapparat auch vier Perkussionisten, die unterschiedliche Instrumente bedienen. Unabhängig davon gibt es sechs Pauken in der unkonventionellen Stimmung A - C - Dis - E - Gis - Cis, die der Orchesterpaukisten zu spielen hat. Dieser Paukist hat allerdings zunächst wenig zu tun: im ersten Satz muss er seinen Platz dem Solisten überlassen und darf nur den letzten Ton spielen. Im zweiten Satz schweigen die Pauken ganz, und erst im Finale fallen dem Paukisten wichtige Aufgaben zu.

 

Die drei Sätze sind Sommer, Herbst und Winter überschrieben; einen Frühling gibt es nicht. Alle drei tragen die Tempoangabe Misterioso. Der Kopfsatz Sommer beginnt mit der Harfe, die auf einer einzigen Saite einen Rhythmus spielt; der Schlagzeug-Solist antwortet, indem er zwei kleine Steine aufeinanderschlägt. Mehrere Instrumentengruppen greifen den Rhythmus auf, und der Solist begibt sich unter ständigem Spiel mit den Steinen quer durch das Orchester auf den Paukenplatz. Von hier aus bestreitet er den größten Teil des Satzes. Das Hauptthema erscheint erstmals im Fagott und wird bald von der gesamten Holzbläser-Gruppe aufgegriffen. Das Thema hat Ohrwurm-Charakter: die Blechbläser und die Streicher, versuchen, etwas anderes dagegenzusetzen, müssen sich aber bald geschlagen geben und greifen ebenfalls das Hauptthema auf. Zuletzt nimmt die Besetzungsstärke mehr und mehr ab, und der Solist kehrt, zwei kleine chinesische Becken gegeneinanderschlagend, auf seinen Platz neben dem Dirigentenpult zurück.

 

Beim nachfolgenden Satz Herbst spielt der Solist die Marimba. Die Perkussionisten im Orchester erzeugen den Klanghintergrund mit tibetischen Schalen, die mit Bögen gestrichen werden. Dann stellt der Solist das Thema vor: eine geradezu romantische, sehnsüchtige Melodie. Allmählich tritt das Orchester mit leisen Klängen hinzu, und die Streicher greifen das Thema auf. Es folgt ein kurzer Dialog zwischen Marimba und Harfe. Daran schließt sich eine Kadenz des Soloinstruments an, untermalt von einem ausgehaltenen hohen Ton im Kontrabass und den tibetischen Schalen der Orchester—Perkussionisten. Die Kadenz besteht über weite Strecken aus pentatonischen Quartparallelen, wie man sie mit chinesischer Musik in Verbindung bringt. Dann kehrt die sehnsüchtige Melodie wieder in der Marimba und in den Holzbläsern, zuletzt auch in den hohen Streichern. Die Musik wird leiser und leiser und verklingt zuletzt im Nichts.

 

Ein kräftiger Akkord der Blechbläser markiert den Beginn des Finalsatzes Winter. Hier erst setzt der Solist das volle Arsenal seines Instrumentariums ein: neben Marimba, Vibraphon und Glockenspiel auch chinesische Pai-Gu-Trommeln, Buckelgongs, Holzblöcke, Kuhglocken, Bambusglocken und anderes mehr. Das Thema erklingt zuerst im Vibraphon, dann im Glockenspiel und in der Harfe. Später nehmen auch die Streicher das Thema auf, aber durch ständige Glissandi verfremdet. Ein zweites, mehr rhythmusbetontes Thema gibt es erstmals auf den chinesischen Trommeln zu hören. Der Satz enthält eine sehr ausgedehnte Kadenz, die der Solist auf allen seinen Instrumenten bestreitet, oft rapide vom einen zum anderen wechselnd oder sogar mit beiden Händen auf zwei verschiedenen Instrumenten gleichzeitig spielend. In der verkürzten Reprise erklingen beide Themen erneut. Dann folgt eine gewaltige Schlusssteigerung, und der Solist und das Orchester führen gemeinsam das Konzert zu seinem eindrucksvollen Ende.

 

Am 11. Oktober 2012 wurde The Tears of Nature in Bergen in Norwegen vorab aufgeführt; Eivind Aadland dirigierte das Bergen Filharmoniske Orkester. Die offizielle Uraufführung fand dann am 13. Dezember 2012 in Lübeck statt; es spielte das Sinfonieorchester des Norddeutschen Rundfunks unter der Leitung des Komponisten. Bei beiden Aufführungen war der Widmungsträger Martin Grubinger der Solist. Seither hat das Werk seinen Weg in die musikalische Welt gemacht. In den USA, in Japan, in Taiwan und in vielen europäischen Ländern ist das Werk erklungen; auch in seinem Heimatland China hat Tan Dun sein Konzert dirigiert. Mehrere Perkussionisten haben den überaus anspruchsvollen Solopart einstudiert und aufgeführt, und viele Orchester und Dirigenten waren daran beteiligt. Das Publikum in aller Welt hat das Konzert mit Begeisterung aufgenommen. Kurz gesagt: The Tears of Nature hat bereits den Status eines Klassikers der 2010er Jahre erreicht

Ein Heldenleben. Tondichtung für großes Orchester op. 40
Richard Strauss
Ein Heldenleben. Tondichtung für großes Orchester op. 40
Richard Strauss

Die sinfonische Dichtung Ein Heldenleben ist umstritten. Einerseits gehört sie zu den musikalisch ausgereiftesten Werken ihrer Gattung und zeigt den zur Entstehungszeit 34-jährigen Komponisten auf der Höhe seines Könnens. Andererseits hat man immer wieder den Vorwurf erhoben, Strauss habe sich hier schamlos selbst zum Helden stilisiert. Der Meister selbst hat dieser Deutung Vorschub geleistet. „Ich sehe nicht ein, warum ich nicht eine Symphonie über mich selbst schreiben sollte”, äußerte er gegenüber Romain Rolland. „Ich finde mich ebenso interessant wie Napoleon oder Alexander.” Und auch im späteren Schaffen von Strauss finden sich immer wieder autobiografische Bezüge, am deutlichsten in der Sinfonia domestica und in der Oper Intermezzo.

 

Strauss begann die Komposition seines Heldenleben 1898 in seiner Geburtsstadt München, wo er seit 1894 als Hofkapellmeister wirkte. Sowohl als Dirigent wie auch als Komponist hatte er sich weit über die deutschen Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht. Mit seinen sinfonischen Dichtungen - darunter so bekannte Werke wie Till Eulenspiegels lustige Streiche und Also sprach Zarathustra - galt er als legitimer Nachfolger von Franz Liszt. Daneben bildeten die Klavierlieder einen zweiten Schwerpunkt seines Schaffens. Seine bis dato einzige Oper Guntram war allerdings noch allzu sehr dem Vorbild Wagner verhaftet; der künftige Opernmeister hatte seinen eigenen Tonfall noch nichtgefunden.

 

Während Strauss an seinem Heldenleben arbeitete, erhielt er den Ruf an die Berliner Hofoper als königlich-preußischer Hofkapellmeister. Und obgleich die Münchner Jahre alles in allem als erfolgreich bezeichnet werden müssen, war der Komponist nur allzu froh, seiner Vaterstadt den Rücken kehren zu können. „Ha, welche Freude - dass ich endlich einmal der Münchner Bande, die mich doch wirklich schmählich behandelt hat, den Prügel vor die Füße werfen kann'”, schrieb er an seine Mutter.

 

Die gleichzeitig mit dem Heldenleben entstandene zweite Oper Feuersnot ist denn auch eine kaum verschleierte kritische Auseinandersetzung mit dem Münchner Kulturleben. In Berlin wurden beide Werke vollendet.

 

Die sechs Abschnitte des Heldenleben gehen nahtlos ineinander über. Die Überschriften, die die Absichten des Komponisten verdeutlichen sollen, waren in der ersten Auflage der Partitur noch abgedruckt, wurden aber dann auf Strauss' Bitten hin in späteren Auflagen getilgt. Ähnliches ist bei Strauss' Zeitgenossen Gustav Mahler zu beobachten, der für die Sätze seiner dritten Sinfonie auch zunächst programmatische Überschriften vorgesehen hatte, die er aber noch vor der Drucklegung wieder strich. Doch während bei Mahlers Sinfonie die gelöschten Satzüberschriften kaum mehr eine Rolle spielen und allenfalls für Werkerläuterungen noch hervorgeholt werden, sind die Überschriften der Abschnitte des Heldenleben trotz der späteren Tilgung jedem Ausführenden und jedem Hörer bewusst. Man hört und versteht das Werk anhand der Überschriften.

Der erste Teil Der Held steht in Es-Dur, was seit Beethovens Eroica die Helden-Tonart schlechthin ist. Das Motiv des Helden, das das ganze Werk durchzieht, steigt gleich zu Beginn in den tiefen Streichern und Hörnern triumphierend auf. Eine Subito-Pianissimo-Stelle bringt ein Seitenthema in H-Dur, doch bald übernimmt das Heldenthema wieder die Oberhand. Eine dramatische Pause beendet diesen Abschnitt.

 

Dann treten Des Helden Widersacher auf den Plan, offensichtlich die Kritiker, die an Strauss' Werken etwas auszusetzen hatten. Sie sind durch tonal unbestimmte Sechzehntel-Figuren der Holzbläser gekennzeichnet, und die Vortragsbezeichnungen lauten sehr scharf und spitzig oder schnarrend. Es entsteht der Eindruck von Kleingeistigkeit und Pedanterie, Das Thema des Helden steigt im langsamen Tempo aus der Tiefe auf und bringt die Widersacher vorübergehend zum Schweigen, doch bald melden sie sich wieder zu Wort. Erst im zweiten Anlauf gelingt es dem Helden, die Kritiker dauerhaft abzuschütteln. Das Tempo zieht wieder an, und der Eintritt des Violinsolos markiert den Beginn des dritten Abschnitts.

 

Richard Strauss hat sich nicht völlig festgelegt, ob er sich mit seinem Helden nun selbst gemeint hat oder nicht, doch hat er nie einen Zweifel daran gelassen, dass Des Helden Gefährtin ein musikalisches Porträt seiner Ehefrau Pauline Strauss, geborene de Ahna (1863-1950), darstellt. Zunächst übernimmt die Solovioline die Rolle der Gefährtin, und Vortragsanweisungen wie heuchlerisch schmachtend oder schnell und keifend zeigen, dass das Porträt keineswegs nur schmeichelhaft gemeint ist. Die Ehe der Straussens war nicht immer einfach, aber letztlich doch glücklich. Zunächst dominiert die Solovioline, und das Heldenthema ist nur in Fragmenten zu hören, als wolle der Komponist seinen Helden selbstironisch zum Pantoffelhelden degradieren. Dann aber schließt sich eine zärtliche Liebesszene an. Ganz zuletzt klingen wie aus der Ferne noch einmal die Motive der Widersacher herein, als wolle Strauss ausdrücken;: am heimischen Herd können mir die Kritiker nichts anhaben.

 

Der am wenigsten autobiografische Abschnitt des Heldenleben ist zweifellos das Schlachtgetümmel, das Des Helden Walstatt ausmacht. Strauss war nie beim Militär, und gegenüber Romain Rolland hat er geäußert: „Ich bin kein Held. Mir fehlt die nötige Kraft; ich bin nicht für die Schlacht gemacht. Ich ziehe es vor, mich zurückzuziehen, Ruhe und Frieden zu genießen.” Dennoch lässt er seinen Helden in den Krieg ziehen. Trompetensignale hinter der Bühne rufen zur Schlacht; das Heldenthema antwortet. Das eigentliche Kampfgeschehen beginnt mit den Schlägen einer kleinen Militärtrommel. Hin und her wogt die Schlacht, doch wie nicht anders zu erwarten, setzt sich der Held schließlich durch, und der Sieg wird groß gefeiert.

 

Im nächsten Abschnitt Des Helden Friedenswerke ist der autobiografische Bezug offenkundig. Strauss zitiert hier ausgiebig aus seinen eigenen früheren Kompositionen. Gleich achtmal greift er auf seine Erstlingsoper Guntram zurück; Don Quixote kommt fünfmal zu Ehren, Don Juan und Tod und Verklärung jeweils viermal, Macbeth und Also sprach Zarathustra jeweils dreimal, Till Eulenspiegels lustige Streiche einmal. Auch die Lieder Traum durch die Dämmerung und Befreit werden zitiert. Natürlich kann nur ein ausgesprochener Strauss-Spezialist wirklich alle Zitate identifizieren, doch die Aussage ist klar: Des Helden Friedenswerke sind die Werke von Richard Strauss.

 

Dann beruhigt sich die Musik, und eine friedliche Es-Dur-Melodie in den Streichern leitet den letzten Abschnitt Des Helden Weltflucht und Vollendung ein. Hier stellt sich Strauss das Ende seines Helden vor: ruhig und abgeklärt, von höchster Warte aus auf die vergangenen Triumphe zurückblickend. Noch einmal taucht die Erinnerung an überwundene Konflikte auf, doch bald kehrt die Ruhe zurück. Das Violinsolo erscheint wieder; Strauss will also gemeinsam mit Pauline diese Vollendung erleben. Ihm gegenüber steht das Solo des ersten Horns, mit dem der Komponist offenbar seinen Helden darstellt. In den letzten Takten deuten die Trompeten noch einmal im Forte den Beginn des Heldenthemas an, bevor ein Piano-Akkord sämtlicher Blasinstrumente das Werk beschließt.

 

Strauss hat sein Heldenleben dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam und dessen erst 27-jährigen Chefdirigenten Willem Mengelberg gewidmet. Die Uraufführung leitete der Komponist jedoch selbst. Da er in Berlin als Operndirigent arbeitete und kein Konzertorchester zur Verfügung hatte, wich er nach Frankfurt aus und hob seine Komposition mit dem dortigen Opernhaus- und Museumsorchester am 3. März 1899 aus der Taufe. Wie nicht anders zu erwarten, reagierten die Kritiker auf die Karikatur ihres Berufsstands empfindlich, so dass die ersten Rezensionen überwiegend negativ ausfielen. Auch das Publikum war nicht einhellig begeistert, sondern hin- und hergerissen zwischen den unbestreitbaren Schönheiten einerseits, der Länge und Komplexität andererseits. Die deutliche Selbststilisierung des Komponisten wurde ebenfalls zum Vorwurf erhoben. Dennoch machte das neue Werk rasch seinen Weg, und noch im gleichen Jahr gab es Aufführungen bei etlichen Orchestern des In- und Auslandes. Das Heldenleben hat seinen festen Platz im Repertoire behauptet, und was immer man über Strauss als seinen eigenen Helden denken mag, so ist der musikalische Rang der Tondichtung doch über jeden Zweifel erhaben.

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Konzertflyer

Besetzung

Dirigentin - Oksana Lyniv

Percussion - Vivi Vassileva

Violine - Sophia Herbig

Corona-Informationen für Veranstaltungen

Stand: 11/2021

3G+

Zutritt nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete mit negativem PCR-Test

FFP2-Masken Pflicht, auch am Sitzplatz

Mit Kontaktdaten registrieren oder Impfnachweis bereithalten

Mindestabstand 1,5m wahren (auch auf Wegen und im Toilettenbereich)

Kontaktbeschränkungen beachten

Nies- und Hustenetikette beachten

Händehygiene einhalten

Bei Krankheitszeichen auf einen Besuch verzichten

Auf Umarmungen und Händeschütteln verzichten

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